Mittelmeeraquarium - Reefdesign

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Das Mittelmeeraquarium

"Das vorliegende Buch soll vor allem Begeisterung und Faszination wecken, für die Schönheit und Einzigartigkeit des Mittelmeeres und seiner Bewohner". So beginnt die Beschreibung des Inhaltes am rückwärtigen Buchdeckel. Und die Fotos des guten Unterwasserfotografen Kai VELLING sind wirklich geeignet, diesem Anspruch gerecht zun werden. Entspannt kann man in diesem Büchlein blättern und die zum größten Teil guten, farbenfrohen Bilder genießen. Und staunen, welch interessanten Tiere im Mittelmeer leben.

Nun sollte sich aber, wenn ein Buch zu einem bestimmten Thema in Planung ist, der Autor und der Verlag die Frage stellen, welche Nische dieses Werk ausfüllen soll. Anders ausgedrückt: Was bietet das geplante Buch, das andere Bücher (noch nicht) bieten? Der Titel des soeben erschienenen Schriftstückes ließe es ja erahnen: Das Mittelmeer - Aquarium! Tatsächlich gab es bis dato kein aktuelles Buch, das dieses Thema ausführlich und erschöpfend behandeln würde. Es sind schon einige Jahre ins Land gezogen, seit sich einige Autoren fachkundig mit der Pflege von Mittelmeertieren auseinandersetzten (Peter WILKENS 1973 und 1987, Helmut STEINER 1983, Jürgen LANGE & Rainer KAISER 1991). Also wäre der Bedarf wirklich da.

Mittelmeerbücher mit schönen Bildern (die also Begeisterung wecken können) und dem Schwerpunkt der Tierbestimmung gibt es in hervorragender Qualität. Dies kann also nicht die Nische sein, die dieses Büchlein füllen wollte. Der Anspruch, der sich ja schon aus dem Titel ergibt, ist vielmehr, die Mittelmeeraquaristik zu behandeln - und dies fachlich einwandfrei und praxisnahe. Und diesem Anspruch wird man seitens des Autors und des Verlages nach meinem Dafürhalten leider nicht gerecht.

Zu sehr macht dieses Buch den Eindruck, sehr schnell und sehr oberflächlich produziert worden zu sein. Schon beim Titelbild beginnt es. Die Bildbeschreibung erklärt uns, hier die Gelbe Krustenanemone Parazoanthus axinellae sehen zu können. Tatsächlich blickt uns aber der Augenfleck - Einsiedlerkrebs Paguristes eremita entgegen. Auf Seite 142 sehen wir ein Foto des Glotzäugigen Schleimfisches Paralipophrys trigloides und nicht - wie die Bildunterschrift meint - Lipophrys pholis. Bei der Rotlippengrundel Gobius cruentatus handelt es sich nicht um die zweitgrößte Grundel des Mittelmeeres, und die Goldgrundel ist mit den angegebenen 6,5 cm nicht ausgewachsen, sondern kann durchaus eine Größe von 10 cm erreichenl.

Ob die Wachsrose wissenschaftlich korrekt nun Anemonia sulcata oder Anemonia viridis heißt, ist noch in Diskussion, und das sollte Erwähnung finden, anstatt einmal diesen und dann wieder den anderen Namen zu verwenden. Dass die Mittelmeer - Anemonengrundel Gobius bucchichi diese Anemone als Schutz und Unterschlupf verwendet, wird natürlich erwähnt. Nur handelt es sich dabei nicht um eine Symbiose, da die Anemone keinerlei Nutzen aus der Annäherung der Grundel zieht.

Die Empfehlung, die Pferdeaktinie Actinia equina mit Muschelfleisch zu füttern, würde ich nicht als fachlich korrekten Ratschlag bezeichnen. Und auch Brassen zeigen sich im Aquarium in der Regel weniger gesellig als sie das in der Natur tun.

Ich möchte jetzt nicht weiter fortfahren, Fehler aufzulisten. Vielmehr stellte sich mir im Zuge des Durcharbeitens dieses Büchleins die Frage, an wen es eigentlich gerichtet ist. An den Anfänger, der noch nie ein Meerwasseraquarium gepflegt hat? Dafür würde z. B. der Kapitelteil "Einrichten eines Mittelmeeraquariums in 10 Schritten" sprechen, der bis auf wenige Wortveränderungen (anstatt "Aquarium eben "Mittelmeeraquarium") aus der Zeitschrift KORALLE kopiert wurde. Oder an den fortgeschrittenen Meerwasseraquarianer, der es einmal mit "Mittelmeer" probieren will? Da passt das dann wieder nicht so ganz.

Unausgegoren wirkt das Büchlein. Bei einem Umfang von gerade einmal 150 Seiten ist es doch nicht zuviel verlangt, dass der den abzüglich der zum Teil sehr großflächigen Bilder verbliebenen Platz beanspruchende Text sorgfältig von einem Mittelmeerfachmann auf Mängel hin kontrolliert wird, sofern nicht der Autor selbst in der Lage ist, persönliche Erfahrung und sorgfältiges Literaturstudium zu einem korrekten Ganzen zu formen. Ein äußerst spärliches Literaturverzeichnis lässt wichtige weiterführende Bücher und Artikel vermissen. Jede Menge falsche Silbentrennungen beim Zeilenumbruch vervollständigen das Bild des oberflächlichen Arbeitens.

Somit meine ich, dass eine Chance vertan wurde. Die Chance nämlich, ein wirklich kompetentes Werk über die Pflege von Mittelmeertieren im Aquarium zu schaffen. Auch ein Büchlein dieses kleinen Umfanges hätte dafür Raum geboten. Schade!

Harold Weiss
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